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Autos aus Bremen
vom Lieferwagen bis zur Cheflimousine
von 1924 bis zum spektakulären Konkurs 1961

„Borgward-Geschichtswerkstatt“: Ausgabe 1

GOLIATH-Kundendiensthalle - Bild von 1957-1958

Goliath-Kundendiensthalle – ein einmaliges Revival!

Die Geschichte der Fahrzeugindustrie in Bremen und Umgebung bietet eine Vielzahl an Facetten, die, wenn man sich einmal auf sie einlässt, ein enormes Potenzial an Stoff bergen – Stoff, aus dem Filme gemacht werden könnten. Zum Beispiel die Spurensuche nach den baulichen Relikten der Werke Carl F. W. Borgwards.

Sicher ist es nicht für jederman spannend, Fabrikreste in Augenschein zu nehmen, in denen vor über einem halben Jahrhundert Autos hergestellt wurden. Jedoch gehört es zum Mythos Borgward, zu den Stätten zu pilgern, an denen diese wunderbaren Fahrzeuge entstanden und sich dabei der Tragik bewusst zu werden, mit der die unrühmlichen Ereignisse rund um die erste große Firmenpleite des Nachkriegsdeutschlands 1961 verbunden sind.

Die Borgward-Presseabteilung hat sich im Oktober 2018 das ehemalige Goliath-Werk in Bremen-Hastedt, die Keimstätte der Borgward-Gruppe, vorgenommen. Eine sehr empfehlenswerte Grundlage stellte dabei das Buch „Spurensuche: Autoindustrie in Bremen. Borgward, Goliath und Lloyd“ von Peter Kurze (Edition B6, ISBN 3-9806977-5-4) dar. Peter Kurze beschreibt darin nicht nur das Goliath-Werk in Bremen-Hastedt, sondern auch die Relikte des Lloyd-Werks in Bremen-Neustadt und des Borgward-Werks in Bremen-Sebaldsbrück.
     

Was ist aus dem ehemaligen Goliath-Werksgelände geworden?

Nach dem Konkurs der Borgward-Gruppe 1961 ergab sich für das Areal eine Vielzahl an Nachnutzungen, die nur zu einem geringen Teil etwas mit der Autoindustrie zu tun hatten. Autos wurden in Bremen-Hastedt nie wieder gebaut. Immerhin blieb die Bausubstanz, die zum Teil noch aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts stammte, zum Teil nach dem 2. Weltkrieg errichtet wurde, weitestgehend erhalten. Das ist insofern von Belang, als insbesondere die in den 50er-Jahren errichteten Gebäude von besonders hohem industrie-architektonischem Wert waren. Der Architekt Rudolf Lodders, der lange Jahre für die Borgward-Gruppe gearbeitet hat, verstand es, hochmoderne, auch an den Interessen der Arbeitenden orientierte Produktionsstätten zu errichten, die weithin Beachtung fanden.

Die Situation auf dem ehemaligen Goliath-Werksgelände stellt sich heute allerdings erheblich anders dar. Rund die Hälfte der historischen Bausubstanz, darunter der beeindruckende „Rundbau“ und das lichte, gläserne Presswerk, fielen der Abrissbirne zum Opfer und wurden ersetzt durch einen schmucklosen Zweckbau, der fortan das Einkaufszentrum „Hansa-Carrée“ beherbergt.
     

Wir schauen genauer hin

Konzentrieren wir uns auf die erfreulicherweise erhalten gebliebenen Gebäude und schauen uns eine auf den ersten Blick von außen unauffällige Halle an. Es handelt sich um die ehemalige Halle 8, die „Kundendiensthalle“. Sie wurde erst 1954 errichtet, damals nach modernstem Standard: sechs Gruben für die Fahrzeugwartung, Prüfstände für Motoren, eine Heißwasser-Wagenwaschmaschine, ein eigenes Ersatzteillager, ein Trockenbrennofen für Kunstharzlackierungen sowie Spritzboxen für Nitrolackierungen. Dazu die typische Lodders-Architektur: große verglaste Flächen für viel Licht, großzügige Dimensionen für Luft und Raum zum effizienten Arbeiten.

Die Kundendiensthalle war nicht nur dem internen Werksbetrieb vorbehalten. Jeder Goliath-Fahrer konnte Wartungs- und Reparaturdienste dort in Anspruch nehmen. Aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe zur Konstruktionsabteilung und Produktion kamen allerdings auch die Problemfälle hierher: Goliath-Fahrzeuge, die von den Händlern im Markt nicht repariert werden konnten. Hier kümmerten sich die Spezialisten um sie und lieferten den Konstrukteuren wertvolle Hinweise, wie man die Fahrzeuge der Serie verbessern konnte.

Ein Foto aus dem Innern der Kundendiensthalle findet sich im oben genannten Buch von Peter Kurze – siehe oben. Es muss irgendwann im Zeitraum zwischen 1957 und 1958 aufgenommen worden sein und zeigt das damals aktuelle Modell eines Goliath 1100 auf einer Grube. Im Hintergrund sind zwei ältere Vorgängerversionen, noch mit Zweitaktmotor, zu sehen.

Nach dem Konkurs der Borgward-Gruppe 1961 zog zunächst die Fiat-Vertretung Willi Gerdes in die Halle und nutzte sie als Lackiererei – und als Teilelager für Borgward- und Goliath-Fahrzeuge, deren Vertrieb die Firma Gerdes übernommen hatte! Später führte der „Borgward-Veteran“ Heinz Schökel die Ersatzteilversorgung fort, bis er sie aus Altersgründen an Dirk Greve aus dem schleswig-holsteinischen Hemmingstedt (http://www.borgwardteile.com) übertrug.
     

…und finden Spuren

Heute beherbergt die Kundendiensthalle eine Kfz-Selbsthilfewerkstatt. Freundlicherweise durfte die Borgward-Presseabteilung einen Blick ins Innere der Halle werfen. Und dann setzte ein Prozess ein, der durchaus als dynamisch bezeichnet werden kann: Zuerst die überraschende Größe der Halle, dann die deutlich erkennbaren Elemente, die nahezu im Originalzustand erhalten geblieben sind – das schachbrettartige Bodenfliesenmuster, die Gruben, der Niedergang. Man kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Es ergab sich ein erfreuliches Gespräch mit den Betreibern der Selbsthilfewerkstatt, und irgendwann stand die Idee im Raum, das Foto aus dem Buch von Peter Kurze, das ca. 1957/1958 entstanden ist, ansatzweise nachzustellen. Denn zufällig war eines Fahrzeuge, mit denen die Borgward-Presseabteilung angereist war, eben jenes Modell, das auf dem historischen Foto im Vordergrund abgebildet ist: ein Goliath 1100.

Gesagt, getan. Nach ein bischen Rangiererei stand der Goliath auf der Grube, so wie sein Modellbruder 60 Jahre vorher – für alle Beteiligten ein bewegender Moment. Sicher wird seit Jahrzehnten kein Goliath mehr in der Halle über einer der Gruben gestanden haben.

Abschließend erlaubten es die Betreiber der Selbsthilfewerkstatt sogar, sämtliche Fahrzeuge, mit denen die Borgward-Presseabteilung nach Bremen gereist war, für ein Fotoshooting in der Halle aufstellen.

Es gibt sie, diese Momente, von denen man genau weiß, dass sie nicht wiederholbar sind. Alle Beteiligten haben den Besuch der Kundendiensthalle des ehemaligen Goliath-Werks als einen solchen empfunden. LCK

GOLIATH-Kundendiensthalle - Bild von 2018

2018: Nach 60 Jahren steht wieder ein Goliath 1100 auf einer der Gruben der Goliath-Kundendiensthalle – ein bewegender Moment.

GOLIATH-Kundendiensthalle - Bild von 2018

Schachbrettartige Bodenfliesen, Niedergang – wie 1954

GOLIATH-Kundendiensthalle - Bild von 2018

Genau dieses Bild – ein Goliath 1100 von unten– könnte ein Monteur auch schon 1958 vor Augen gehabt haben.

GOLIATH-Kundendiensthalle - Bild von 2018

Ob es die Firma Hans Werner aus Hamburg, die seinerzeit die metallene Grubenkonstruktion erstellte, wohl noch gibt?

GOLIATH-Kundendiensthalle - Bild von 2018

Die Fahrzeuge der Borgward-Presseabteilung lassen die Dimensionen der Kundendiensthalle erahnen.

GOLIATH-Kundendiensthalle - Bild von 2018

Im Vordergrund die Isabella Combi von Dirk Greve, der die Borgward-Ersatzteilversorgung von Heinz Schökel übernommen hat.

GOLIATH-Kundendiensthalle - Bild von 2018

Auch der berühmte gelbe Lloyd LP 600 von Extremfahrer Norbert Bogdon genoss es, in der riesigen Halle Goliath-Luft zu schnuppern.

GOLIATH-Kundendiensthalle - Bild von 2018

Originalzustand seit 1954: der rot-weiß geflieste Boden. Rechts der Niedergang in die Grube. Der Arbeitsplatz ist hell und luftig, obwohl im Lauf der Jahre bereits ein Teil der großzügigen Verglasung durch gemauerte Wände ersetzt worden ist.

     

Historisches Foto: Fotograf unbekannt, Fotos 2018: André Demin