„Borgward-Bilder erzählen“: Ausgabe 34

Abschied von Arabella

Manche Bilder sollen gar nichts mehr erzählen. Die Leute werfen sie einfach weg, dann geraten die Fotos mit etwas Glück an einen Flohmarkt-Händler, der sie in einer Pappschachtel anbietet, 50 Cent das Stück. Ein solches Foto haben wir hier, auf seiner Rückseite steht nichts, also sind wir auf das Bildmotiv angewiesen. Ein roter Käfer und eine Arabella, die aus dem Tankstutzen sabbert, ein Haus, ein Hof, eine Familie. Der Käfer trägt ein Kennzeichen aus dem Landkreis Ulm, aber wann ist das Bild entstanden? Der Käfer ist ein 1302, VW hat ihn ab Mitte August 1970 geliefert. Aber im Landkreis Ulm blüht noch der Löwenzahn, als die Kamera klickt. Es wird also eher Frühsommer 1971 sein, passend zur Zahl im Ulmer Kennzeichen

So ist es wohl: Der Mann am roten VW ist stolz auf sein neues Auto, und die alte Arabella darf ein letztes Mal aufs Bild. Sie parkt wahrscheinlich nur noch ganz kurz auf dem Hof (obwohl sie gut zu den 50er-Jahre-Vorhängen des Hauses passt), denn sie ist schon ziemlich genau zehn Jahre alt. Arabella-Experten erkennen das daran, dass ihr hinterer Kotflügel keinen seitlichen Arabella-Schriftzug trägt, diese Änderung kam zum Jahreswechsel 1960/61. Der Borgward-Kleinwagen fährt also schon fast drei Jahre länger als der deutsche Durchschnitts-Pkw und gilt auch in gepflegtem Zustand als Abwrack-Kandidat.

Viel mehr als einen, vielleicht zwei Hunderter wird ihr Besitzer nicht mehr für seine Arabella bekommen, das reicht beim VW 1302 gerade für das L-Paket (188,71 DM zuzüglich Umsatzsteuer). Es beinhaltet u. a. einen Schminkspiegel auf der Beifahrerseite, zwei Rückfahrscheinwerfer und eine gepolsterte Armaturentafel. Die Arabella hat das auch, und es hat von 1959 bis 1961 keine Mark extra gekostet. Vielleicht lacht deshalb niemand auf dem Foto, wir wissen es nicht. Oder besser: Wir sollen es gar nicht wissen. CST

Foto: Archiv Christian Steiger