„Borgward-Bilder erzählen“: Ausgabe 20

Einsatz in Mainhattan

Manchmal hilft es nach Jahrzehnten weiter, was ein (privater) Fotograf auf die Rückseite eines alten Abzugs notiert hat. Hier eher nicht: „Borgward Isabella auch als Funkwagen. Polizeihof 56/57“ steht da. Hm.

Also erstmal Spuren sichern: Immerhin wissen wir, welcher Polizeihof gemeint ist und wer der junge Beamte in der schneidigen Uniform war, der natürlich nicht vor einer Isabella Haltung annimmt, sondern vor einem deutlich selteneren Goliath 900. Jürgen Torff (1930-2009) ist damals ein junger Schutzmann der noch kommunalen Frankfurter Polizei, also wird das Foto wohl auf dem Parkplatz des alten Polizeipräsidiums in der Nähe des Messegeländes entstanden sein. Auch die Datierung trifft sicher zu, denn Besatzungskennzeichen, die mit H 70 beginnen, sind im Frankfurt des Frühjahres 1956 ausgegeben worden – das bekannteste davon hing am schwarzen Mercedes 190 SL von Rosemarie Nitribitt, und die hatte ihren Roadster im Mai 1956 gekauft.

Aber wie kommt der Goliath 900 in den Polizeidienst? Als Streifenwagen läuft er in Frankfurt nicht, ganz im Gegensatz zur Isabella, die im 50er-Jahre-Alltag der Mainmetropole allgegenwärtig ist. Es sieht also aus, als sei der Goliath als Zivilfahrzeug der Frankfurter Polizei unterwegs. Unauffällige Optik, aber Frontantrieb und stramme 40 Einspritzer-PS, damit ist er Mitte der 50er gut geeignet zum diskreten Observieren und schnellen Verfolgen. Die Opel-Limousinen aus dem nahen Rüsselsheim dagegen lehnt die Frankfurter Polizei wegen ihres flauen Fahrverhaltens ab. Selbst der Dienstwagen des Polizeipräsidenten ist in diesen Tagen kein Kapitän, sondern ein Borgward Hansa 2400 Pullman.

Dass die Beamten aber schon auf das Fahren im 900er Goliath stolz sind, das zeigt dieses Foto – und ein Blick ins Gesicht des jungen Schutzmanns Torff, der später mit den Wagen aus Bremen etwas durcheinander kommt. Macht ja nichts. Hauptsache, das Bild ist 53 Jahre später noch da. CST

Foto: Archiv Christian Steiger/Nachlass J. Torff